25. CHRISTSEIN INMITTEN DER RELIGIONEN
FÜR DAS GESPRÄCH
was man so sagt
- Ob man ihn jetzt Allah, Vishnu, Jesus oder sonstwie nennt: Es ist derselbe Gott, den alle Menschen suchen.
- Tatsächlich hat man jene Religion, die man in der Familie, in seinem Land, in seiner Kultur mitbekommen hat. Früher war die christliche Religion in unserer Gesellschaft sehr dominierend. Heute aber gibt es hier viele Religionen. Außerdem kann jeder und jede selbst wählen und ganz privat für sich glauben.
- Alle großen Religionen sprechen von Weisheit und Frieden. Warum, so scheint es, unterstützen sie auch Krieg, Fanatismus und Intoleranz?
- Kann man sagen, dass eine Religion mehr Wahrheit hat als eine andere?
- Sind die Religionen entstanden aus dem Willen Gottes oder sind sie Erfindungen der Menschen?
- In allen Religionen gibt es etwas Gutes; das kann man für sich heraussuchen.
- Seit ich Christ bin, fühle ich mich eins mit allen christlich Gläubigen der Welt.
Fragen
- Spricht Sie eine Meinung mehr an als andere, warum?
- Was bemerken sie in den Unterschiedlichkeiten der Religionen?
ENTDECKEN
Christ zu werden führt zu einer Begegnung mit einer bestimmten Tradition, die Teil einer viel größeren religiösen Landschaft ist. Heute ist unsere Gesellschaft ziemlich säkular. Trotzdem spricht man manchmal von einer Renaissance der Spiritualität. Es wäre gut, unterschiedliche spirituelle Richtungen kennen zu lernen und das eine oder andere von den verschiedenen Religionen zu erfahren.
Stichwort: Religion Das Wort selbst bedeutet: Rückbeziehung, rückgebunden-sein. Verschiedene Realitäten des Lebens sind durch eine Religion wie zusammengefügt. Jeder Mensch versteht seine eigenen Glaubenserfahrungen im Zusammenhang mit der Geschichte jener religiösen Gemeinschaft, mit der man verbunden ist. |
Der Kontext einer religiösen Erfahrung
Alle Menschen haben Hoffnung. Religionen bringen die tiefsten existentiellen Fragen der Menschen zur Sprache. Es geht um den Sinn des Lebens, einen Lebensstil im Einklang mit den anderen und der ganzen Welt, um eine richtige Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, um gute und böse Mächte und um die Beziehung Mensch – Gott.
Auf unserem Planeten gibt es viele verschiedene Religionen. Auch wenn in den westlichen Gesellschaften eine religiöse Gleichgültigkeit wächst, scheinen die Religionen insgesamt auf dieser Welt wichtiger zu werden.
Und natürlich gibt es Menschen, die spirituelle Erfahrungen haben und danach leben, aber sich keiner bestimmten religiösen Tradition zugehörig fühlen. Sie entwickeln ihren eigenen privaten Glauben.
Gläubig-sein heute
In den letzten Jahren gibt es viel Bewegung innerhalb der Bevölkerung. Das betrifft auch die Tatsache, dass es immer mehr unterschiedliche religiöse Überzeugungen gibt, vor allem, wenn sich kleinere Gruppierungen plötzlich profilieren und Aufmerksamkeit gewinnen. Das ist zugleich eine Herausforderung, die Grundsätze der großen Religionen kennen zu lernen.
Zum Christentum gehören heute etwa 1,9 Milliarden Menschen.
Hinduismus
- Es gibt ungefähr 730 Millionen Hindus.
- Der Hinduismus ist, wie sein Name schon sagt, die Religion Indiens.
- Seine Geschichte ist beeinflusst von den kulturelle Strömungen, die seit mehr als 1000 Jahren vor Christus durch Indien hindurchgegangen sind. Es gibt keinen Religionsgründer. Der Hinduismus prägt das soziale Leben.
- Seine Grundlage ist eine spirituelle Erfahrung, die persönlich gelebt wird. Das kann sehr unterschiedlich sein. Die Mehrzahl der Hindus anerkennt ein göttliches und einmaliges Prinzip, aber man verehrt verschiedene Götter als Schöpfer, Zerstörer, Wohltäter usw.
- Der Hinduismus hat eine Vision der Welt, als wäre sie durchorganisiert. Das System der Kasten, die in soziale Schichten eingeteilt sind, gehört zwingend dazu. Das Ideal besteht darin, dass jeder seinen Platz in dieser Ordnung einnimmt, ohne dies in Frage zu stellen und auf Selbstverwirklichung zu bestehen.
- Diese Weltordnung (dharma) unterwirft den Menschen auch einem Zyklus von Wiedergeburten. Die Seele reinkarniert sich in einem höheren oder niedrigeren Lebewesen, gemäß den guten oder schlechten Taten, die man während seines Lebens vollbracht hat. Die Hoffnung der Menschen ist es, erlöst zu werden. In seiner Lebenshaltung (Karma) geht es darum, sich immer mehr zu identifizieren mit der Göttlichkeit, indem man Perfektion erreicht: brahma.
Buddhismus
- Es gibt ungefähr 300 Millionen Buddhisten.
- Ihre Geschichte beginnt im 6. Jahrhundert vor Christus mit der Geburt des Prinzen Siddharta Gautama. Im Alter von 29 Jahren entdeckt er die Realität des Leidens, die untrennbar zum Menschsein gehört. Das führt ihn zu einer Kritik am Formalismus im Hinduismus und er beschließt einen neuen Weg der Weisheit zu suchen. Dieser Weg führt ihn zu einem Zustand, den er Erweckung nennt - und er wird der Prophet Buddha, d.h. der Erweckte.
- Sein Anliegen ist, ähnlich wie im Hinduismus, die Erlösung in einen Zustand des Übernatürlichen. Der Weg dahin führt über die Beherrschung der Wünsche, über das Wohlwollen und über das Mitleiden gegenüber allen Lebewesen. Das Ziel ist dann, sich selbst zu beherrschen, um alle Leiden zu überwinden.
- Der Buddhismus erscheint wie eine Reformation, in dem die sozialen Ungleichheiten der Kasten aufgehoben werden. Er wird in seiner Geschichte in Indien zurückgedrängt und verbreitet sich vor allem anderswo (China, Japan, Thailand). Dabei nimmt er an verschiedenen Orten unterschiedliche Formen an.
- Das Wesentliche ist eine Lebenspraxis in der Meditation, die zu einer Art von geistlicher Disziplin führt, sowie eine Vision einer gerechten Welt. Man tritt dann ein in das Nirwana, einen Zustand des Friedens, von dem Buddha Erfahrungen gemacht hat. Das ist der Zustand, den man als Belohnung dieses Lebens erreichen kann. (Von Wiedergeburt ist hier keine Rede.)
- Der Buddhismus wird als Religion gesehen, denn er hat Denkweisen und Praktiken eines Glaubens, ohne an einen persönlichen Gott zu glauben.
Judentum
- Es gibt ungefähr 13 Millionen Juden. Die meisten leben heute aufgrund antisemitischer Unterdrückungen auf der ganzen Welt zerstreut. Der Judaismus ist die erste monotheistische Religion.
- Seine Geschichte beginnt vor ca. 4000 Jahren. Mit Abraham entwickelt sich dieser Glaube zur Geschichte eines Volkes, eines Landes und einer Berufung. Die Juden bezeugen einen Bund, der von Gott den Menschen für alle Zeiten angeboten wurde.
- Das Grundanliegen des jüdischen Glaubens ist es, eine Antwort auf die Treue Gottes zu geben, wie diese in der Geschichte des Bundes berichtet wird. Gott offenbart sich als Quelle des Friedens und der Gerechtigkeit. Der erwartete Messias wird die Versöhnung zwischen den Völkern bewirken.
- Die religiöse Praxis des Judentums bezieht sich auf die Tora, d.h. auf das Gesetz. Dieses setzt sich zusammen aus den ersten fünf Büchern der Bibel und den Schriften verschiedener Propheten. Die Juden studieren diese. Ihr Leben folgt dem Rhythmus der Feste, die große Ereignisse der Vergangenheit in Erinnerung rufen und als Gegenwart erleben lassen. Die religiösen Gebräuche beziehen sich auf die Wertschätzung des Gesetzes als Zeichen der Treue zum Bund Gottes. – Jede Gemeinschaft wird von einem Rabbiner geleitet.
Islam
- Es gibt ungefähr 1 Milliarde Muslime.
- Die Geschichte des Islam beginnt im Jahr 610 durch die Bekehrung Mohammeds. Als er 40 Jahre alt ist, zieht er sich auf einen Berg nahe Mekka zurück. In einer Nacht hört er die Worte des Engels Gabriel, der ihm die Aufgabe übergibt, Gesandter und Prophet Allahs zu sein. Mohammed empfängt in den nächsten 22 Jahren mehrmals Offenbarungen. Diese konstituieren den Koran. – Für die Muslime hat Gott sein Wort durch die Meditationen des Propheten an die Menschen überliefert.
- Zunächst wird diese neue Religion von seinen Zeitgenossen schlecht aufgenommen. Er muss fliehen und begibt sich 622 nach Medina. Trotzdem wächst sein Einfluss und eine Gemeinschaft gründet sich.
- Nach dem Tod von Mohammed folgen Trennungen. Von da an entwickelt sich eine größere Unterschiedlichkeit der Gemeinschaften: Sunniten, Kharijisten (Charidschiten), Schiiten; aber alle Muslime folgen denselben Riten.
- Das Grundanliegen des Islam ist die Betonung der Einzigartigkeit Gottes und sein Aufruf zur sozialen Gerechtigkeit. Das bedeutet, dass soziales und religiöses Leben untrennbar zusammengehören. Deshalb sind religiöses und soziopolitisches Leben in einigen Ländern, in denen der Islam dominiert, praktisch eins.
- Die Glaubenspraxis des Islam wird von fünf Säulen geprägt:
- Bekenntnis des Glaubens: Das ist eine Formel der Umkehr, die ausgesprochen wird: Ich glaube, dass es nur einen Gott, Allah, gibt, und dass Mohammed sein Prophet ist.
- Almosen: Das ist ein Akt der Barmherzigkeit, eine gelebte Wohltat, die individuell und in Gemeinschaft gegeben wird. Dies verweist darauf, dass Gott alleine der Herr über alle Güter der Erde ist, der Mensch ist sein Verwalter.
- Das rituelle Gebet: Dieses wird fünfmal pro Tag in Richtung Mekka vollzogen, gemeinsam mit Reinigungsgesten.
- Fasten: Im Monat Ramadan soll man durch Fasten und Gebet zum Wesentlichen finden.
- Die Wallfahrt: Diese führt zu den heiligen Stätten in Mekka. Dorthin pilgert man zumindest einmal im Leben. Dadurch werden die Sünden zeichenhaft ausgelöscht.
Kirche im Dialog
Der Dialog nach außen
Gottes Geist weht, wo er will. In diesem Sinn vertrauen Christen darauf, dass er auch bei jenen wirkt, die nicht dem christlichen Glauben angehören. Diese Überzeugung ist das Fundament dafür, dass man mit anderen in Dialog treten kann, ohne abwertend und überheblich, sondern offen und respektvoll zu sein.
Der interreligiöse Dialog ist keine freiwillige Aktion, sondern gehört zutiefst zu Sendung der Kirche. Christen sind berufen zu hören, zu sehen, zu ahnen... , wie Gott die Herzen aller berührt und Sehnsucht hat, sie kennen zu lernen.
„Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die nichtchristlichen Religionen, Nr. 2)
Ähnlich ist es mit der Ökumene. Dieser Dialog im Respekt vor allen Unterschieden anerkennt und bestätigt eine wahre Einheit zwischen allen Christen (Orthodoxe, Katholiken, Protestanten, Anglikaner), die Anteil nehmen am selben Glauben an Gott, den Vater, den Sohn und Heiligen Geist und an derselben Taufe.
Interner Dialog
Was für den Dialog mit anderen Religionen gilt, hat auch Bedeutung für den internen Dialog innerhalb der katholischen Gemeinschaft. Die Geschwisterlichkeit und Zusammengehörigkeit definiert sich nicht durch ein Prinzip der Einheitlichkeit (Uniformität), sondern durch eine Begegnung der Menschen, die von Gott bei ihrem Namen gerufen werden.
Die Unterschiede in der katholischen Kirche zeigen einerseits eine wertvolle, bunte Vielfalt, andererseits führen Unterschiede auch zu Missverständnissen, zu Misstrauen und zu Spannungen, die sich zu einer Gefahr für Spaltungen ausweiten können.
In Vergangenheit und Gegenwart gibt es immer wieder sektiererische Verhaltensweisen, d.h. wenn eine Gruppe glaubt, dass sie die ganze Wahrheit hat. Das sind „Fundamentalisten“, die keinerlei Kritik vertragen und „Rigoristen“, die nur durch die Befolgung bestimmter Praktiken einen Weg zum Heil sehen. (Beide sind ziemlich humorlos.)
Wie können wir also miteinander leben, sodass unsere Unterschiede bereichernd sind? Dazu gibt es keine theoretischen Antworten. Die Geschichte lehrt uns nur, dass wir lediglich dann wahrhaft Zeugen des Glaubens sind, wenn wir uns um so viel Gemeinsamkeit wie möglich, so viel Dialog wie möglich und so viel Liebe wie möglich bemühen.
ZUR VERTIEFUNG
Ein Blick in die Gesellschaft
Haben Sie Vorstellungen von der Art, wie Menschen einen anderen Glauben praktizieren als den Ihren? Welche?
Ein Blick auf sich selbst
Was hilft Ihnen im Glauben, wenn Sie in Kontakt mit Menschen einer anderen Religion sind?
Sind solche Situationen voller Problematik, voller Zweifel, voller Unsicherheit? Oder erleben Sie darin eine Chance für Verständigung, für gegenseitige Offenheit?
GEBET
Gelobt sei der Gott des ganzen Universums,
der Herr, der seine Jünger von jeder Mühe befreit.
Erlöse unseren Geist von jedem Leid.
Erlaube dem Glück und dem Wachstum, in unsere Häuser einzutreten.
Du bist meine Mutter und mein Vater.
Wohin könnte ich gehen, um Zuflucht zu finden?
Es gibt niemanden außer dir, in den ich meine Hoffnung setze.
Du bist der große Geist der ganzen Ewigkeit,
Herr, du bleibst für immer.
Du bist wie ein Meer des Mitleids.
Du bist der Bruder der Armen,
du bist der Tröster jener, die leiden.
Du bist mein Schutz.
Getragen von deinen Händen komme ich,
um dich anzubeten.
nach einem Hindu-Gebet