24. BIBEL UND WISSENSCHAFT
FÜR DAS GESPRÄCH
was man so sagt
- Glauben ist irrational.
- Warum soll man sich für die Bibel interessieren, wenn sie in einer ganz anderen Kultur und einer anderen Zeit geschrieben wurde?
- Die Berichte von der Entstehung der Welt in der Bibel stimmen doch überhaupt nicht.
- Was bedeutet es, dass Gott Schöpfer sein soll?
- Die Religion beschäftigt sich mit Gott und hat nichts mit den Menschen zu tun.
- Bei der Bibel geht es um den Sinn des Lebens, der Geschichte, der Welt. Die Wissenschaften fragen nach Ursachen und Zusammenhängen, aber nicht nach dem Sinn.
- Heute zeigt sich, dass die Wissenschaft und der technische Fortschritt schaden.
Fragen
- Was können Sie dazu sagen?
- Kennen Sie Bibelstellen, wo es Widersprüche zwischen biblischen Erzählungen und historischen Erkenntnissen gibt? Wie kann man das verstehen?
ENTDECKEN
Man kann zugleich gläubiger Christ sein und seinem Verstand vertrauen. Der Glaube verändert manchmal die Art des Denkens. Man kann Dinge und Ereignisse anders interpretieren, weil man einen noch größeren Zusammenhang ahnt, den die Wissenschaften – von denen jede auf den eigenen Gesichtspunkt konzentriert ist – nicht in Betracht ziehen.
Der Glaube schränkt das freie Denken nicht ein, er unterdrückt keine Kritik, auch nicht an Traditionen des Glaubens selbst. Jede/r ist frei, den eigenen Verstand mit all seinen Fähigkeiten zu nutzen und gemäß seinem Gewissen zu handeln. Aber um Verstand und Gewissen zu bilden gibt der Glaube – und damit auch der Sinn der biblischen Texte – Orientierung.
Das Christentum ermutigt die Gläubigen, einen Glauben im Einklang mit dem Verstand zu entwickeln und den Sinn seines Lebens und der Welt zu suchen. Aber man wird niemals vollkommen alles verstehen, weder durch Wissenschaft, die immer weitere Fortschritte macht, noch durch den Glauben. Denn Gott bleibt immer noch Geheimnis, obwohl er uns begleitet und sich offenbart.
Bibel und Wissenschaft
Was die Wissenschaft entdeckt, widerspricht der Botschaft der Bibel nicht. Man muss die Ziele und Absichten beider Bereiche gut unterscheiden:
Die Bedeutung der Wissenschaft
Die Wissenschaft interessiert sich dafür, wie etwas geschieht, wie Phänomene entstehen. Die Wissenschaft bezieht sich auf die Erkenntnisse der Welt, wie sie heute ist. Sie untersucht ihre Zusammenhänge, erklärt ihre Entwicklungen, ihre Erscheinungsformen und ihre Begrenzungen.
Die Bedeutung der Bibel
Die Texte des Alten Testamentes sind von Gläubigen geschrieben, die keine wissenschaftlichen Antworten geben wollten. Sie überliefern den Glauben an Gott, der unter den Menschen seit dem Anfang gegenwärtig ist, gemäß dem Verständnis ihrer Zeit. Sie teilen Glaubenserfahrungen mit, um ihre Gottesbeziehungen auszudrücken – und beschreiben ihr Verständnis von Sinn des Lebens.
Im Sinn des Glaubens geht es um das Warum, das die Wissenschaft nicht interessiert:
Warum haben die Menschen Sehnsucht nach Glück?
Warum ist in ihnen die Kraft zu lieben, aber auch zu hassen und zu zerstören?
Welche Zukunft hat der sterbliche Mensch?
Auf ihren unterschiedlichen Ebenen sind Bibel und Wissenschaft keine Konkurrenz.
Heute bestätigen Wissenschaftler, die zugleich gläubig sind, dass die Wissenschaft nicht alles beantworten kann. Hier geht es um eine Wahrheit, die mit dem Sinn des Lebens verbunden ist.
Ein Text:
Herr, was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?
Ein kleiner Punkt von nichts, hineingestellt auf einen Planeten, der unscheinbar ist.
Soll das die Vollendung einer komplexen Evolution von 15 Milliarden Jahren sein?
Das Ergebnis eines komplexen Wachstums,
das mit Elementarteilchen begonnen hat,
bis hin zu Organismen voller Weisheit,
im Übergang von Atomen, Molekülen, DNA und Zellen?
Herr, was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?
Das einzige „Tier“, das Werkzeuge produzieren und verwenden kann?
Derjenige, der eine Sprache entwickelt hat,
der das Feuer und das soziale Leben entdeckt hat?
Derjenige, der seinen Glauben an ein anderes Leben ausdrückt?
Derjenige, der sesshaft wird,
zuerst Bauer, später Töpfer oder Schmied,
und der sich dann ausstreckt,
Zeitalter mit großen Zivilisationen zu gestalten?
Derjenige, der Verstand hat und Gefühle,
Intuition für Kunst und Wissenschaft, für Philosophie?
Derjenige, der auch fähig ist, Krieg zu führen
und schreckliche Zerstörungen anzurichten?
Herr, was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?
Derjenige, der frei sein will, frei, nicht ausgeliefert der Natur
und nicht Frucht einer genetischen Programmierung?
In der Geschichte eines kleinen Volkes, Israel,
hast du uns offenbart, Herr,
dass diese unendliche Liebe, die im Herzen des Menschen ist,
wie die Spur einer Begegnung
des Menschen mit seinem Schöpfer ist.
Du hast uns eine unvollendete Welt anvertraut,
um sie zu verstehen, zu respektieren und zu gestalten.
Du hast gesagt,
dass der Mensch voller Möglichkeiten und Talente ist.
Zugleich aber auch begrenzt und manchmal entstellt;
dass er bestimmt ist für das Glück,
für Beziehung, für Heil, für Versöhnung,
unter dem Atem des Lebens, der jedes Geschöpf lebendig macht.
Im Blick auf das wunderbare Abenteuer seiner Entwicklung
und im Betrachten der kleinsten Gesten von Liebe und Solidarität
lässt du uns sehen, Herr,
die Kraft deines Atems, der deiner ist,
der unserer ist, für immer.
(nach Thierry Magnin, Prier nr. 208, Février 1999)
Im Alten Testament
Das Geheiminis Gottes und der Menschen entdecken
Das Buch Genesis ist wie ein Kunstwerk. Es gibt keine einheitliche und offensichtliche Interpretation. Es braucht Zeit zum Nachdenken, um die Texte selbst sprechen zu lassen. Die Poesie der biblischen Sprache lädt uns ein, auf den Grund zu gehen.
Auch wenn manches verwirrend ist, überliefern die Texte der Genesis ein Zeugnis des Glaubens. Geschrieben wurde dieses Buch ca. 1000 Jahre vor Christus. Die Menschen haben schon verstanden, dass Gott nicht derjenige ist, der die Menschen beherrscht und unterdrückt, sondern die Menschen befähigt, selbst das Leben und die Welt zu gestalten. Gott liebt die Menschen und ihre Freiheit – auch wenn sie diese nicht immer in seinem Sinn nützen.
Stichwort: Mythos Mythen bringen große Fragen der Menschen zur Sprache. Sie sind das Ergebnis eines ersten Nachdenkens der Menschheit über alles, was ist. Dem Stil nach beschreiben Mythen eine irreale Welt als wäre dies ein historischer Bericht. In diesem Sinn führen uns auch die mythischen Erzählungen in der Bibel in eine fiktive Welt, aber deshalb sind sie (in dem, was sie sagen wollen) nicht weniger „wahr“. |
Am Anfang: Mann und Frau
Eines Tages hat die Geschichte der Menschheit begonnen. Adam und Eva symbolisieren alle Männer und alle Frauen. Sie sind lebendige Wesen und fähig, in Beziehung zu leben.
- In einer persönlichen Beziehung zu Gott
Im Buch Genesis sehen wir, wie Gott zu ihnen spricht, während sie im Garten spazieren gehen. Es herrscht eine familiäre, freundschaftliche Atmosphäre. Nicht einmal die Sünde kann diese Beziehung abbrechen, aber es wird schwieriger.
- In Beziehung mit anderen Menschen
Schon in Adam und Eva wird die Beziehung zwischen den Menschen symbolisiert. Am Anfang ist der Mann noch allein und damit vielen Dingen beschäftigt … aber dann fühlt er sich einsam. Die Erschaffung der Frau zeigt, dass der Mensch erst in der Begegnung, im Dialog mit anderen so richtig Mensch wird.
- In Freiheit und Verantwortung
Das Leben der Menschheit und der menschlichen Gemeinschaft ist voller Widersprüche und Einschränkungen. Es gibt Vorschriften und Gesetze. Mensch zu sein heißt, sich verantwortlich zu wissen für seine Taten, für gute und böse. Es war ein Fehler von Adam, nachdem er seine Sünde begangen hat, seine Schuld auf seine Begleiterin Eva abwälzen zu wollen. Gott bringt ihn dazu, seine Taten zuzugeben, die natürlich zu Konsequenzen führen. Aber das ist besser und menschlicher, als Lüge, Feigheit oder sich zu ducken.
Der Garten Eden – Ort des Lebens
Das Bild eines Paradieses steht uns vor Augen, wenn wir von einer Gesellschaft träumen, in der alle glücklich mit den anderen zusammenleben. Die Welt wäre heil. Die Natur wäre zahm und freundlich.
Aber der Mensch trägt keine Unsterblichkeit in sich. Das Alte Testament sagt uns, dass der Mensch nur in Bezug auf Gott den Sinn des Lebens und der Humanität finden kann.
Am Baum der Erkenntnis spitzt sich die Frage zu, was Glück und Unglück, was Gut und Böse in ihrem vollen Sinn bedeuten. Der Mensch kann die Frucht dieses Baumes nicht essen. Gott ist die alleinige Quelle des Glücks und nur seine Liebe kann dorthin führen. Die Sünde des Menschen ist (im Anklang an diese Bibelstelle), dass er sein will wie Gott.
ZUR VERTIEFUNG
Die Verbindung zwischen Wissenschaft und Glaube
Fordert Sie die unterschiedliche Wirklichkeit von Wissenschaft und Glaube heraus? In welcher Weise?
Wie könnte der wissenschaftliche Fortschritt diese Welt menschlicher machen? Was meinen Sie?
In welchen Bereichen ist für Sie die wissenschaftliche Forschung wichtiger als der Glaube?
Der biblische Bericht von der Schöpfung
Im Wissen, dass die Bibel keine Theorie von der Entstehung der Welt und der Menschheit geben will: Auf welche Art und Weise können Sie glauben, dass Gott Schöpfer ist?
Eine Lektüre der ersten elf Kapitel der Genesis
Die Autoren dieser etwas mythischen Texte überliefern ihren Glauben an Gott, der seinen Bund für alle Generationen gestiftet hat (Gen 9,12).
Versuchen Sie, in jedem dieser Kapitel herauszufinden, wo Gott „nein“ zu einer Zerstörung des Lebens sagt, und wo er „ja“ sagt zum Menschen und das Vertrauen erneuert wird.
GEBET
Damit der Mensch ein Kind nach seinem Bild wird,
hat Gott ihn erschaffen im Atem des Geistes:
Und obwohl wir noch keine Form und kein Gesicht hatten,
hat uns seine Liebe schon in Freiheit gesehen.
Wir erhielten von Gott das Geschenk des Lebens,
wir haben es in das Gefängnis der Sünde gesteckt:
Durch Ungerechtigkeit sind Hass und Tod gekommen,
und dein Gesetz der Liebe haben wir vergessen.
Als dann der Tag gekommen ist, jene glückliche Stunde,
hat Gott uns Jesus geschenkt, den geliebten:
Der Baum des Kreuzes wird zum Übergang
zu einer Welt, wo alles geheiligt ist.
Wer wird den Weg gehen hin zu seinem Reich?
Wer wird Jesus annehmen als Herrn und als Freund?
Der demütige Diener wird den schönsten Platz erhalten!
Gott zu dienen macht den Menschen ihm ähnlich.
nach: Pour que l'homme soit un fils à son image. Didier Rimaud, Prière du Temps Présent