17. UMKEHR UND VERSÖHNUNG
FÜR DAS GESPRÄCH
was man so sagt
- Jeder und jede macht Fehler: Wie kann da Bekehrung möglich sein?
- Glauben heißt für mich: die Kraft Gottes empfangen, die mich verändert, die mich erneuert und mich ermutigt, voranzuschreiten.
- Verzeihen könnte heißen: in sich selbst Frieden finden.
- Vergeben ja, aber nur unter Bedingungen. Zuerst muss Gerechtigkeit geschaffen werden.
- Heute verzeiht man alles. Die Kinder zum Beispiel: man lässt sie einfach alles machen.
- Verzeihen ja. Vergessen niemals.
- Aber was ist, wenn der andere nicht verzeiht?
- Man muss sich im Leben Respekt verschaffen, auch wenn man Fehler macht.
- Warum sollte man Gott um Vergebung bitten, wenn man doch nur an Menschen schuldig geworden ist?
Fragen
- Welche dieser Meinungen ist für Sie besonders interessant - oder zutreffend - oder falsch? Warum?
- Wie können wir das Wort Umkehr / Bekehrung mit eigenen Worten umschreiben?
ENTDECKEN
In unserer Gesellschaft ist das Böse offensichtlich eine Realität. Wie kann man damit umgehen? Welche Orientierungen gibt uns der christliche Glaube dazu?
Oft kann man hören: Versöhnt euch! Vergebt einander! – Aber das kann manchmal zu einfach sein. Es könnte wie eine Aufforderung zu oberflächlicher Harmonisierung klingen, in der das nicht ernst genommen wird, was geschehen ist. Es könnte als Einladung zu Fatalismus und Passivität („kann man halt nichts machen“) missverstanden werden. Oder man beginnt, allzu empfindlich gegenüber Fehlern zu werden, die von schuldhaftem Verhalten noch weit entfernt sind ….
Deshalb muss man richtig verstehen, was die Einladung zur Verzeihung bedeutet.
In der Vorbereitung auf die großen christlichen Feste, besonders im Advent und in der Fastenzeit, gibt es Zeiten für eine Liturgie, die tiefer nachdenken lässt über das Wort Gottes und sein beständiges Rufen nach Versöhnung. Gebet, Teilen und Buße sind Schritte und Zeichen für eine christliche Umkehr und Hinwendung zu Gott.
Umkehr
Das bedeutet nicht nur, eine Haltung, eine Meinung, eine Lebenspraxis oder was auch immer zu ändern. Es geht darum, sich Gott zuzuwenden, sich nach ihm zu orientieren.
Durch die Taufe sind wir berufen zur Freiheit (Gal 5, 13). Eine Haltung der Umkehr ist diesbezüglich unsere Zustimmung, von Jesus Christus befreit und daher zu einem befreiten Lebensstil eingeladen zu werden.
Unsere Erfahrung des Bösen zeigt uns, dass wir niemals vollständig in der Liebe Gottes sein werden. Aber in der Umkehr können wir dies Liebe, diese Berufung zur Heiligkeit, immer wieder neu aktualisieren.
Stichwort: Umkehr - Bekehrung - Konversion Diese Begriffe korrespondieren mit dem griechischen Wort metanoia, d.h.: den Geist ändern, umkehren. Wenn man sich an der Frohen Botschaft der Liebe Gottes orientieren will, dann soll dies aus ganzem Herzen und mit der ganzen Kraft des Willens und des Verstandes geschehen. Trotzdem gelingt dies nie vollständig. Man kann menschlich gesehen (auf Dauer) einfach nicht hundertprozentig mit dem Willen Gottes eins werden. Aber eine beständige Umkehr zu ihm führt zu einer fortschreitenden Entfaltung der eigenen Menschlichkeit, zu einer Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und zu einem Wachsen des Reiches Gottes in uns und um uns herum. |
Jesus: im Antlitz der Liebe
Sehen
Jesus lässt sich mit Sündern ein und schenkt ihnen seine Freundschaft – vor jeder Leistung ihrerseits. Diese Begegnung aber öffnet ihnen die Augen und gibt ihnen Kraft und Mut, ihr Leben zu ändern. Das hat Auswirkungen auf ihre Beziehungen zu den Mitmenschen und lässt sie Frieden mit sich selbst finden.
Sogar angesichts schlimmster Schuld bittet Jesus „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23, 34). Dies sind die letzten Worte Jesu vor seinem Tod. Er spricht sie aus wie ein Testament, das andere vollziehen sollen: „Wie ich an euch gehandelt habe, handelt auch ihr“ (Joh 13, 15).
Hören
Jesus zeigt, dass Vergebung fundamental dazugehört für jemanden, der an ihn glaubt. Allerdings ist sie nicht einfach machbar, sondern sie ist Geschenk Gottes:
- Vergebung ist grundlegend, sie hat Vorrang: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.“ (Mt 5,23-34)
- Verzeihung ist dringend, sie soll nie aufgeschoben werden; die Liebe wartet nicht. „Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg bist“ (Mt 5,25)
Jesus scheint es zu irritieren, wenn man Zeit verliert, und in sich selbst und dem Irrtum eines Streites verharrt statt sich zu versöhnen.
- Vergebung hat keine Grenzen. Auf die Frage: „Wie oft muss ich vergeben?“ antwortet Jesus mit der symbolischen Zahl „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“ (Mt 18,21-22)
- Vergebung hat keine Einschränkungen, sie gilt allen: „Liebt eure Feinde… denn Gott lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten.“ (Mt 5,43-47)
Gott vergibt uns
Gott ist barmherzig
Schon die Gläubigen des Ersten Bundes haben verstanden: „Der Herr ist barmherzig und gnädig…Er handelt an uns nicht nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Schuld… so weit entfernt er die Schuld von uns. Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten.“ (Ps 103)
Gott bietet den Menschen Vergebung an
Er widerspricht dem Bösen und der Sünde, aber er lässt den Menschen in seinen Fehlern und in seiner Schuld nicht zurück. Er gibt ihm quasi immer eine neue Chance. Als eine Ehebrecherin zu Jesus gebracht wird, die von Schriftgelehrten und Pharisäern zur Steinigung verurteilt wird, sagt er: „Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“ (Joh 8,2-11)
Gott ist betroffen durch das Böse, das die Menschen verletzt. Doch indem man Vergebung annimmt und schenkt, entdeckt der Gläubige von neuem, dass die Liebe Gottes unserer Sehnsucht nach Versöhnlichkeit und Versöhnung schon vorausgeht und unterstützt.
Sich als Sünder erkennen
Indem man für sich selbst und für seine Schuld Verantwortung übernimmt, d.h. sich als Sünder bekennt, eröffnen sich Wege, die neu zum Guten führen können.
Im Glauben versteht der Christ, dass das Böse Sünde ist und einen Abbruch des Bundes mit Gott bedeutet. Er erkennt sich als Sünder vor Gott, der Liebe und Verzeihung ist. Und Gott zeigt, dass das Böse nicht definitiv ist.
Aber für uns ist Vergebung manchmal unmöglich. Es gibt Ereignisse, die man nicht vergessen kann. Erlebt der allmächtige Gott, der Liebe ist, also einen Misserfolg? Auf der menschlichen Ebene: vielleicht ja. Umso wichtiger ist es, an die Geduld Gottes zu denken, indem man – wie Jesus - darauf verzichtet, anderen das Böse heimzuzahlen, das sie an uns begangen haben. Damit werden wir nun ein Stück des Friedens Gottes finden. Jesus hat das vorgelebt und mit seiner Hilfe können wir das auch.
Einander vergeben
Vergeben heißt: den anderen das nicht verweigern, was Gott ihnen in seiner Barmherzigkeit geben will. Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, … erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist“. (Lk 11,4)
Der Glaubende macht die Erfahrung, dass Gott liebesfähig macht und Kraft gibt zur Vergebung, sogar wenn dies manchmal unmöglich erscheint, weil das Böse so stark, so irritierend, so destruktiv ist. Dennoch kann man das den Menschen Unmöglliche Gott möglich machen lassen: Indem man Gott die Sache überlässt, kann man Frieden im Heiligen Geist finden.
Versöhnte Menschen werden
Gott ruft uns zur Versöhnung:
Mit uns selbst und mit unserer eigenen Geschichte: Man sagt manchmal, dass geliebt zu werden die notwendige Voraussetzung ist, um andere zu lieben und um liebesfähige Beziehungen einzugehen.
Mit jenen, die uns verletzt haben: Vergebung überwindet schlechte Gedanken, die uns belasten, die unser Herz überschatten. Die anderen können von neuem Schwestern und Brüder werden, die man akzeptiert, da auch sie von der Zärtlichkeit Gottes berührt werden, von der man selbst Zeuge sein wird.
Mit Gott: Wir sind Sünder, denen vergeben wurde. Es liegt an uns, die Sehnsucht nach Umkehr wachzuhalten, uns abzuwenden von Idolen und allem, was Gott widerspricht.
Das Sakrament der Versöhnung in der Kirche
Für Christen ist Versöhnung eine wichtige Dimension des Glaubens. Dieses Geschenk Gottes ist so wesentlich, dass es auch in einem Sakrament gespendet wird. Dabei gibt es einige zentrale Begriffe:
Reue: Dieses Wort drückt das Bedauern aus, sobald man sich bewusst wird, dass man etwas Falsches gemacht hat. Die Reue ist wie eine Zeit der Vorbereitung, um klarer die Vergebung Gottes zu empfangen und seinen Ruf zur Umkehr konkret zu verstehen.
Bekenntnis: Dieses Wort drückt aus, dass man sich als Sünder durchschaut hat. Indem man seine Fehler bekennt, bezeugt man Vertrauen in Gott, dem man „trotzdem“ zutraut, die Menschen liebevoll anzuschauen und ihnen zum Guten hin beizustehen.
Versöhnung: Damit wird die Konsequenz des Verzeihens ausgedrückt, das empfangen und gegeben wurde. Weiters verwendet die Kirche dieses Wort am liebsten für das Sakrament der Buße. In diesem Sakrament erfolgt durch den Dienst des Priesters die Zusage der Versöhnung, die von Gott geschenkt wird.
ZUR VERTIEFUNG
Erfahrungen von Vergebung
Hatten Sie schon einmal Gelegenheit, Vergebung zu schenken oder zu empfangen? Und was hat das verändert?
Ist Vergebung im Trend unserer Zeit? Wie spricht man in unserer Umgebung davon?
Das Evangelium lädt zur Versöhnung ein
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32)
Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.
Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
- Wie können Sie die Haltungen der beiden Söhne beschreiben? Und jene des Vaters?
- In welcher Weise entdecken Sie etwas von sich selbst in einer der Personen wieder?
GEBET
Man kann das Vater unser mit ausgebreiteten Händen beten: als Geste der Bereitschaft, die Liebe Gottes zu empfangen.
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Amen.