08. JESUS VERKÜNDET EINEN NEUEN LEBENSSTIL
FÜR DAS GESPRÄCH
was man so sagt
- Was die Kirche so sagt, hat nichts mit Lebensfreude, nichts mit Freiheit, nichts mit Selbstentfaltung zu tun.
- Die Ideale, die Jesus verkündet, sind ganz gut, aber völlig unrealistisch.
- Jesus möchte wirklich, dass sich Menschen ändern.
- Jesus war ein Revolutionär seiner Zeit, aber heute hat er uns nichts mehr zu sagen.
- Jesus hat die Religion verändert, aber heute gibt es andere Reformatoren.
- Gläubig zu sein heißt, die Zehn Gebote zu respektieren. Aber dafür genügt die Bibel, dazu braucht es keine Kirche.
- Auf jeden Fall ist die Gesellschaft heute ziemlich kaputt und der Mensch ist oft schlecht. Die Gerechtigkeit Gottes wird wohl erst am Ende der Welt kommen.
- Was mir an Jesus gefällt ist sein Nonkonformismus. Sein Schüler zu sein, fordert heraus, heute wie ein Prophet zu leben.
Fragen
- Welche dieser Meinungen ist für Sie besonders interessant - oder zutreffend - oder falsch? Warum?
ENTDECKEN
Jesus hat einen neuen Stil, mit der er an die Tradition anknüpft. Er ist dabei sehr konkret. Er wendet sich an sehr unterschiedliche Zeitgenossen in ihren verschiedenen Lebenssituationen.
Das Evangelium ist eine Botschaft in einem sozialen Kontext
Palästina ist zur Zeit Jesu schon mehrere Jahrzehnte lang von den Römern besetzt (seit 63 v.Chr.). Im Namen des Kaisers regieren drei Statthalter das Land Israel, das in drei Provinzen geteilt ist.
Im Süden: Judäa
Die Hauptstadt ist Jerusalem, wo auch der Tempel als zentrales Heiligtum des Volkes steht. Die Judäer betrachten mit einer gewissen Verachtung ihre Nachbarn, die weniger dem Tempel verbunden sind und sich in der Vergangenheit mehr mit Heiden vermischt haben; und das, obwohl sie der Glaube und das Festhalten an dem von Gott geschenktem Bund eigentlich zutiefst verbinden müsste.
Es existieren verschiedene religiöse Strömungen. Darunter sind zwei Gruppen besonders interessant:
- Die Sadduzäer: Diese halten fest an der sozialen Ordnung, unterstützt durch ihre religiöse Praxis. Sie stehen jenen priesterlichen Familien nahe, die im Tempel dienen. Sie üben ganz real politische und ökonomische Macht aus. Sie zögern nicht, sich an die römischen Autoritäten zu wenden, mit denen sie sich im Sinn von sicheren gesellschaftlichen Verhältnissen („Ordnung muss sein“) weitgehend arrangiert haben.
- Die Pharisäer: Diese sind Menschen, die zu ihren religiösen Überzeugungen stehen. Sie meditieren die Tora (die ersten fünf Bücher der Bibel). Sie halten sich in ihrer Lebensführung an das Gesetz und beachten zahlreiche rituelle Praktiken, um ihre Treue zum Bund zu beweisen. Im Evangelium sehen wir Jesus öfter im Kontakt mit Pharisäern.
Im Zentrum: Galiläa
Diese Region ist weit von Jerusalem entfernt und erscheint wie der arme Verwandte aller, die die Verheißung Abrahams geerbt haben. Ein Viertel der Bevölkerung besteht aus Nichtjuden. Jesus kennt diese Region sehr gut. Er ist hier aufgewachsen: in Nazaret. In dieser Umgebung hat er hauptsächlich gepredigt und geheilt, dort ist er den Menschen begegnet. Im Evangelium lesen wir, dass er in Karpharnaum am See Genesaret wohnt. Er wendet sich an alle, Juden und Nichtjuden. Er bleibt unabhängig gegenüber religiösen Gruppierungen und kritisiert manche ihrer religiösen Praktiken.
Im Norden: Samaria
Aufgrund der Geschichte (erobert durch die Assyrer im Jahr 721 v.Chr.) ist Samaria bevölkert von den Nachfahren jener, die seinerzeit nicht deportiert wurden. Israeliten und Heiden, die andere Kulte praktizieren, leben hier gemeinsam. Die anderen Juden sind misstrauisch gegenüber dem ihrer Meinung nach verwässerten Glauben der Samariter, die aber doch am Gesetz des Mose festhalten. Die Samariter haben kein Recht, in den Tempel nach Jerusalem zu kommen, aber das ist ihnen auch nicht wichtig. Sie haben den Berg Garizim, wo sie Gott verehren. Wie in früheren Zeiten der Sinai symbolisiert für sie ein Berg den Ort einer besonderen Beziehung mit Gott, dem Herrn.
Das Evangelium steht in Spannung zum jüdischen Gesetz
Jesus verneint das Gesetz nicht, das in der Tora festgelegt wird. Er stellt fest:
Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. (Mt 5,17)
Aber Jesus will, dass das Gesetz nicht wortwörtlich, sondern aus seinem Geist heraus verstanden wird. Dann geht es darum, den Bund mit Gott in Liebe zu leben, zu Gott, der uns zu einem Weg der Liebe einlädt.
Wenn er sich an Juden wendet, erinnert Jesus an die Gebote des Mose (Mt 5,20–48), gibt ihnen aber eine viel tiefere und entschiedenere Deutung.
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. (Mt 5,43–48)
Das Evangelium – eine Botschaft der Freiheit
Ein frommer Mensch muss zur Zeit Jesu zahlreiche Gebräuche respektieren, die religiös begründet werden. Zum Beispiel soll man sich von „schlechten Menschen“ fernhalten, also von allen, die gesellschaftlich gesehen am Rand stehen. Wer sich daher mit Menschen abgibt, die „einen schlechten Ruf“ haben, wird unrein. Ein anderes Beispiel wäre die unbedingte Befolgung der Sabbatruhe, d.h. dass man an diesem Tag praktisch keiner Aktivität nachgehen darf.
Aber Jesus lebt seinen Glauben in der ständigen Bestätigung der Liebe Gottes, seines Vaters. So kommt es, dass er diese Gebote zwar respektiert, aber keines absolut sieht, sondern immer nur relativ und bezogen auf die Liebe Gottes. Wenn eine Vorschrift also dieser Liebe widerspricht, hat sie keinen Wert. Dann ist Jesus bereit, sich darüber hinwegzusetzen. Er unterscheidet zwischen dem Gesetz Gottes und dessen Sinn sowie menschlichen Interpretationen.
Jesus ging wieder hinaus an den See. Da kamen Scharen von Menschen zu ihm, und er lehrte sie. Als er weiterging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da stand Levi auf und folgte ihm. Und als Jesus in seinem Haus beim Essen war, aßen viele Zöllner und Sünder zusammen mit ihm und seinen Jüngern; denn es folgten ihm schon viele.
Als die Schriftgelehrten, die zur Partei der Pharisäer gehörten, sahen, dass er mit Zöllnern und Sündern aß, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann er zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Jesus hörte es und sagte zu ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten. (Mk 2,13–17)
An einem Sabbat ging er durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten. Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten – wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. (Mk 2,23–27)
Jesus spricht und handelt in großer Freiheit. Seine Berufung als Sohn Gottes ist ein Ruf zu einer tiefen Freiheit für alle Menschen. Jesus eröffnet einen radikalen Weg, um das Leben aus dem Glauben heraus zu gestalten, und zwar in wahren und guten Beziehungen zu den anderen Menschen.
Stichwort: Der Tempel Der Tempel ist das größte und eindrucksvollste Gebäude in Jerusalem, das ca. im Jahr 20 v. Chr. wiederhergestellt wurde. Er befindet sich auf einem großen Platz und beinhaltet verschiedene Gebäudeteile, zu denen der Zugang strikt geregelt ist.
Alle Juden sollen dreimal im Jahr eine Wallfahrt zum Tempel nach Jerusalem machen, ganz besonders aber zur Feier des Pascha-Festes. Jesus hat den Tempel immer wieder besucht. |
Stichwort: Die Synagoge Dieses Wort bezeichnet zuerst die Versammlung der Gläubigen. Ähnlich wie das Wort Kirche bezieht es sich sodann auf Orte, wo die Juden sich versammeln, um zu beten. Solche Gebetshäuser gibt es praktisch in allen Städten und Dörfern. |
ZUR VERTIEFUNG
Jesus und Zachäus
Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich. Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen mußte. Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muß heute in deinem Haus zu Gast sein. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
(Lk 19,1–10)
In diesem Text sehen wir Jesus, wie er sich einem Zöller zuwendet, der im Auftrag der Römer Steuern eintreibt, und nicht selten mehr verlangt, als er eigentlich dürfte. Er ist also sowohl ein Handlanger der Besatzungsmacht, als auch ein Betrüger und wird deshalb von den übrigen Juden gemieden und verachtet.
Was bewirkt diese Begegnung bei Zachäus?
Wie offenbart sich Jesus in diesem Bericht?
Jesus und der Blinde von Jericho
Als Jesus in die Nähe von Jericho kam, saß ein Blinder an der Straße und bettelte. Er hörte, dass viele Menschen vorbeigingen, und fragte: Was hat das zu bedeuten? Man sagte ihm: Jesus von Nazaret geht vorüber. Da rief er: Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Die Leute, die vorausgingen, wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und ließ ihn zu sich herführen. Als der Mann vor ihm stand, fragte ihn Jesus: Was soll ich dir tun? Er antwortete: Herr, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Du sollst wieder sehen. Dein Glaube hat dir geholfen. Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen. Da pries er Gott und folgte Jesus. Und alle Leute, die das gesehen hatten, lobten Gott.
(Lk 18,35–43)
In der Welt der Juden bedeutet eine Behinderung bzw. eine Krankheit, dass dies eine Art Strafe von Gott wäre. Solche Menschen sind also zu meiden. Für Jesus ist diese Begegnung aber ein Anlass, die Güte Gottes gegenüber diesem Blinden zu zeigen. Damit setzt er ein Zeichen, dass Gott ungeachtet jeglicher Behinderung steht.
Was fällt Ihnen in diesem Bericht besonders auf?
Wenn Jesus heute Sie fragen würde: Was willst du, dass ich dir mache? - Was würden Sie darauf antworten?
GEBET
Sie können eine Kerze anzünden und vor diesem Symbol des Lichtes können Sie an das Licht des Glaubens in ihrem Leben denken. Und darüber mit Gott sprechen.
Sie können folgenden Psalm meditieren:
Willst du uns nicht wieder beleben, so dass dein Volk sich an dir freuen kann?
Erweise uns, Herr, deine Huld, und gewähre uns dein Heil!
Ich will hören, was Gott redet:
Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen,
den Menschen mit redlichem Herzen
Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten.
Seine Herrlichkeit wohne in unserm Land.
Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
Treue sprosst aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.
Auch spendet der Herr dann Segen, und unser Land gibt seinen Ertrag.
Gerechtigkeit geht vor ihm her, und Heil folgt der Spur seiner Schritte.
(Psalm 85,7–14)