01. DIE ERFAHRUNG DES GLAUBENS
FÜR DAS GESPRÄCH
was man so sagt ….
- Wie kann man an Gott glauben, den man nicht sieht, den man nicht beweisen kann?
- Glauben heißt: nichts wissen.
- Religion ist vor allem eine Sache der Familie und der Tradition.
- Ich glaube – und das kann ich auch ganz gut alleine.
- Für mich bedeutet Glauben an Gott, dass man niemals alleine ist.
- Der Glaube, das ist nicht bloß eine Idee, das ist vielmehr eine Lebenskunst.
- Gott heißt vertrauen: weil jemand eben glaub-würdig ist.
- Ich glaube ja auch, dass es Neuseeland gibt, obwohl ich noch nie dort war.
- Ich glaube an den Menschen, an Gott glauben ist unnötig.
- Im Namen Gottes gibt es Kriege, man tötet, man begründet Rassismus; besser wäre, es gäbe keine Religion.
- Mit Gott habe ich die Kraft, immer wieder neu anzufangen, wenn etwas schiefgegangen ist.
Fragen
- Welche dieser Meinungen ist für Sie besonders interessant - oder zutreffend - oder falsch? Warum?
- Was bedeutet für Sie „Glauben“? Können Sie dazu über eine persönliche Erfahrung erzählen?
ENTDECKEN
Die Suche nach dem Glauben ist für den einzelnen Menschen immer individuell, obwohl er stets in vielen Beziehungen mit seiner Kultur, seiner Geschichte, seinen mehr oder weniger gläubigen Mitmenschen steht. Niemand ist verpflichtet zu glauben. Es ist eine freie Entscheidung jedes einzelnen zu sagen: ich glaube.
Und dieser Glaube ist sicher auch abhängig von der persönlichen Lebenssituation, von Ereignissen. Man „hat“ ihn auch nicht ein für alle mal. Und er verändert sich. Bei einigen wird er intensiver, bei anderen scheint er zu verschwinden. Und auch das kann sich wieder einmal umkehren bzw. weiter verändern.
Sich für den Glauben zu interessierten bedeutet zunächst: für eine Erfahrung offen zu sein, die größer ist als eigene.
Glauben – ein weiter Begriff
Worum geht es wirklich?
Wir leben in einer Zeit, in der sich alles entwickelt, verändert, intensiviert, vermehrt. Die Kommunikationsmittel sind immer all-gegenwärtiger. Unsere kulturelle Umgebung wird pluraler, reichhaltiger, unterschiedlicher, auch irritierender.
Das sind Herausforderungen, in denen man manchmal gern einen sicheren Halt sucht – und sich nach dem Sinn des Ganzen fragt. Und das hat bereits viel mit der Frage des Glaubens zu tun.
Dabei gibt es viele Möglichkeiten, wie man sich als gläubig oder als ungläubig versteht. Man muss eigentlich für sich präzisieren, worum es bei dem eigenen Glauben geht: Warum habe ich Interesse, mich damit zu befassen?
Glaube und Erfahrungen
Glauben bezieht sich immer auf verschiedene spezifische Erfahrungen:
- Es gibt Augenblicke intensiver Gefühle und wichtige Lebensereignisse: eine Hochzeit, eine Geburt, ein Todesfall. Oder man hat das Gefühl, dass das Geheimnis des Lebens an einem vorbeiläuft; dass es noch anderes zu entdecken gibt jenseits dessen, was man sieht.
- Es gibt Schwierigkeiten, die man erlebt und die intensiv herausfordern. Man erfährt die Zerbrechlichkeit der eigenen bisherigen Sicherheiten, die Fragilität des ganzen Lebens insgesamt. Man merkt, wie verwundbar man ist angesichts von Schicksalsschlägen, von Gewalt, von Ereignissen, die man nicht in der Hand hat. Und trotzdem sehnt man sich nach Sicherheit, Frieden, Harmonie.
- Die Frage nach Sinn kann plötzlich da sein: Warum geschieht das alles? Warum gerade ich? Es gibt Fragen, zu denen nur der Glaube eine Richtung eröffnet, in der man eine Antwort finden kann.
- Das muss nicht immer existenziell sein. Manchmal fühlt man sich enttäuscht von sich selbst und hat das Gefühl, sich nur im Kreis zu drehen. Man will eine neue Quelle finden, aus der man Kraft für das Leben schöpfen kann. Man geht durch Zeiten von Krisen hindurch, die herausfordern und Veränderungen verlangen. Das kann auch dahin führen, neue Gründe für die Lebensgestaltung, neue Einsichten und Werte zu entdecken. Man erkennt in sich ein Bedürfnis, ein besserer Mensch zu werden und seine Beziehungen zu anderen zu verbessern.
- Diese Welt und dieses Leben: das kann nicht alles sein. Denn manches bleibt unerklärlich, rätselhaft, faszinierend, erstaunlich. Das kann dazu führen, mit dem Über-Natürlichen zu rechnen, es zuzulassen, zumindest es nicht auszuschließen – und dabei ist man doch ganz bei Verstand.
Es gibt sicher noch mehr Dimensionen des Lebens als jene, die wir hier anführen, die für eine Entdeckung eines Glaubens relevant sein können.
Jede Erfahrung des Menschen kann ihm helfen, dabei verschiedene Aspekte zu sehen. Aber Vorsicht: Eine Erfahrung eines Glaubens ist nicht immer positiv. Es kommt darauf an, was sie bewirkt, welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Es genügt, ein wenig um sich zu schauen und zu entdecken, dass die Religionen auch negative Wirkungen – Überheblichkeit, Feindschaft, Spaltung – haben können.
Letztlich ist dies nochmals eine persönliche Entscheidung: ob der Glaube Leben fördert oder hindert.
Glauben ist eine Erfahrung, die geklärt werden muss
Man beurteilt den Baum nach seinen Früchten, sagt ein Sprichwort. Mit dem Glauben ist es so ähnlich. So muss man zwischen Glauben und Glauben unterscheiden, je nachdem, wie sich dieser bei den Menschen auswirkt.
Aber zunächst sollen ein paar Missverständnisse geklärt werden.
Braucht es ein blindes Vertrauen, um zu glauben?
Naivität ist kein Ziel des Glaubens. Eine gläubige Haltung wehrt sich nicht gegen verstandesmäßige Erkenntnis. Glauben appelliert an den Verstand, mit dem man sich dem Unbekannten, Unentdeckten, Geheimnisvollen annähern möchte. Der Verstand hat Anteil daran, dass man die Offenbarung Gottes annehmen kann.
Christen glauben, dass Gott die Initiative übernommen hat hat, sich kennen lernen zu lassen. Aber für dieses Kennenlernen soll der Mensch seinen Verstand benützen. Der Glaube braucht Nach-Denken, Reflexion und Klärung, sonst verkommt er in Oberflächlichkeit, Äußerlichkeit, Banalität.
Muss man alles verstehen?
Alles zu verstehen, ist nicht das Ziel von Menschen, die glauben wollen. Es geht darum, die Wahrheit zu finden, in der man leben will. Glauben bedeutet nicht, dass man irgendwann einmal alles Wichtige weiß, und sonst nichts mehr zu wissen braucht. Das wäre eine bloß rechthaberische Haltung, mit der man sich in sich selbst einschließt. Glauben bedeutet vielmehr, offen zu sein auch für das Geheimnis, für das, was man nicht versteht, und sich dabei an der Wahrheit der Liebe zu orientieren.
Kann der Gläubige wunderbare Lösungen erwarten, die quasi vom Himmel herabfallen?
Man sagt, dass Gott allmächtig ist. Trotzdem ist er nicht dazu da, irgendwelche Probleme zu lösen. Der Glaube steht jenseits der Suche nach Problemlösungen. Er schenkt Vertrauen in Gott und seinen Beistand, inspiriert zum Handeln, fordert auf, die eigene Verantwortung zu übernehmen. Der Gläubige orientiert sich mit seinem freien Willen an Gott. Wenn man bloß (betend) darauf warten würde, dass Gott direkt eingreift, würde der Mensch doch nur vor seinen Verantwortlichkeiten fliehen. Gott wäre dann nur jemand, an den man sich wendet, damit er wie ein Marionettenspieler oder wie ein Schiedsrichter aller klärt.
Glauben in christlichem Sinn
Der christliche Glaube hat zwei Dimensionen:
Man ist nicht alleine
Der erste Schritt des Glaubens besteht in der Umkehr, und das bedeutet: sich Gott zuzuwenden.
Wie sollte man glauben, wenn ich man sein Leben nicht selbst in die Hand nimmt?
Der Glaube bezieht sich auf das Vertrauen auch an jene, die uns vorangegangen sind. In der jüdisch-christlichen Tradition sind wir Erben einer langen Geschichte. In diesem Sinn bewahrt uns die Entscheidung, mit anderen Christen gemeinsam den Weg zu gehen, vor einer Isolierung und einem subjektiven Glauben nach eigener Art. Das weist uns darauf hin, dass wir uns in Solidarität mit anderen Gott-suchenden befinden. Und das hat zur Folge, dass man sich auch Zeit nehmen muss, um sich als Mitglied der Kirche und ihrer umfassenden Berufung zu erkennen.
Man glaubt nicht durch sich selbst
Die zweite Bewegung des Glaubens besteht darin, Vertrauen zu Gott zu finden, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart hat. Was man inhaltlich über den Glauben erfährt, soll mit persönlicher Erfahrung durchdrungen werden. Der Glaube ist gelebte, stets aktuelle Antwort auf den Ruf Gottes. Diese Antwort beinhaltet Worte, Taten und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Gläubigen. Nur diejenigen, die sich als Gläubige bezeichnen, können sagen: Es ist gut, dass Gott in meinem Leben gegenwärtig ist. Und sie haben wohl eine Erfahrung gemacht, die für sie gültig ist.
Es gibt zwar keine mathematischen Beweise in Bezug auf den Glauben, aber dennoch glaub-würdige Hinweise, vor allem durch vertrauens-würdige und glaub-hafte Menschen, die den Glauben plausibel machen.
ZUR VERTIEFUNG
aus dem Evangelium nach Johannes
Am Tag darauf stand Johannes wieder dort, und zwei seiner Jünger standen bei ihm. Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus. Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wohnst du? Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde.
(Joh 1,35-39)
Die zwei Jünger hören ein Wort und beschließen, Jesus nachzufolgen. Aber er stellt ihnen eine Frage: Wen sucht ihr?
Und dann führt er sie sogleich in eine bestimmte Richtung: Kommt, und ihr werdet sehen! – Nämlich ihn selbst. Nachfolge im Glauben heißt damit: sich klar zu werden, wer Jesus ist; sich Zeit zu nehmen, um zu sehen und bei ihm zu sein.
Die Zeit des Katechumenats bedeutet ein solches Sich-Zeit-Nehmen.
Ein Methodischer Vorschlag
Einige Fotos oder Bilder können auf einem Tisch vorbereitet liegen (z.B. eine Gruppe, die miteinander spricht; einer, der betet; eine Bibel; christliche Symbole; eine Familie; ein Fest, usw.)
Jede/r soll nun ein oder zwei Bilder aussuchen, die ihn unter dem Aspekt seiner persönlichen Suche bzw. seines Glaubens besonders ansprechen. Danach erzählt jede/r, warum man dieses Bild gewählt hat.
GEBET
Ich habe dich gesucht
Ich habe lange das Glück gesucht,
manchmal wie ein Verrückter, wie ein Besessener,
mit Leidenschaft, mit Ehrgeiz:
Geld, Können, Macht...
Ich habe von allem ein wenig erlebt,
aber, Herr, ich habe keine Freude gefunden.
Ich habe das Glück in der Weisheit gesucht,
die hilft, diese Welt zu verstehen:
Wissen, Wissenschaft, Kompetenzen;
Ich wollte alles wissen über den Menschen und wofür sein Herz schlägt,
Ich wollte alles erkennen über den Anfang und das Vielleicht-Ende der Welt,
aber auch dort habe ich dich nicht gefunden.
Mein Gott, ich habe versucht, Erfolg zu haben
in meinem Leben, in meinem Beruf, in meiner Familie,
ich wollte stets wichtig sein,
von allen anerkannt, von allen geachtet,
aber ich bin niemandem begegnet.
Heute, Herr, hast du mich eingeladen zu hören.
Du erwartest von mir keine Leistungen, keine Erfolge.
Du erwartest mich, mein Gott, hier und jetzt.
Das Leben eines Menschen ist doch ganz einfach, ganz unbedeutend
im Vergleich zu diesem Universum.
Und hier hast du dich offenbart, damit ich endlich
in deiner Gegenwart
den Sinn meines Lebens entdecke
nach: Robert Ribier, Fenêtres ouvertes, Milles textes, 1999