Religiöse Kindererziehung
Die religiöse Erziehung ist für die christliche Spiritualität von höchster Bedeutung. Sie ist kein Sonderbereich im Erziehungsgeschehen. Sie „zielt auf das Ganze des Menschen: auf seine Individualität und auf sein Eingebundensein in die menschliche Gemeinschaft. Es genügt nicht, eine bloße Eingliederung in die kirchliche Gemeinde und die Aneignung bestimmter religiöser Verhaltensformen anzustreben. Je schärfer unterschieden wird zwischen "allgemeiner" und "religiöser" Erziehung, umso größer ist die Gefahr, dass die "religiöse" Erziehung unwirksam bleibt: Sie wird vom Kind höchstens vorübergehend als glaubwürdig erlebt. Mit zunehmendem Alter wird dieses Hinzukommende mehr und mehr abgelehnt, weil es nicht in die gesamte Lebenserfahrung integriert ist. Die "religiöse" und die "allgemeine" Erziehung sollen demnach ineinander integriert sein. Die religiöse Erziehung ist ein bereichernder und unersetzlicher Beitrag zu einer umfassenden menschlich-ganzheitlichen Bildung. Sie begleitet das gesamte Mensch-Sein, indem sie besonders dessen religiöse Dimension pflegt.
Jeder Mensch hat ein Recht auf eine Erziehung, die seine religiöse Dimension berücksichtigt und sich an den wahren Werten orientiert, der Christ hat das Recht auf eine christliche Erziehung. „Ziel jeder christlichen Bildung ist es, den Menschen zu einem Leben aus dem Glauben an die Offenbarung Jesu Christi zu befähigen, damit er in Erlösungsgewissheit, Nächstenliebe und Hoffnung den Sinn seines Lebens in Gott findet und dadurch zum Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft und der gesamten Gesellschaft beiträgt."
Für seine religiöse Entwicklung braucht das Kind Bezugspersonen, die selbst vorbildhaft aus dem Glauben leben. Die ersten grundlegenden religiösen Erfahrungen macht das Kind in der Regel durch die Eltern. Besonders durch ihre Erziehung kann „die Entwicklung des Glaubens ermöglicht, gefördert oder behindert werden. Es gibt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Maß an Liebe, Vertrauen und Intensität der Beziehungen zwischen den Eltern, wie sie vom Kind erlebt und erfahren werden, und seiner späteren Bereitschaft, sich auf vertrauensvolle menschliche Beziehungen einzulassen und die Botschaft Christi als sinnvoll für sich anzuerkennen."
Die Verantwortung der Bezugspersonen für die religiöse Entwicklung des Heranwachsenden beginnt schon im Kleinstkindalter, das „von entscheidender Bedeutung für die Glaubensentwicklung des Menschen" ist. Gewöhnlich sind es die Eltern, die „durch ihr Wort und Beispiel ihre Kinder im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens" erziehen. Die verschiedenen Institutionen und die Bezugspersonen, denen das Kind dort begegnet, können das Bemühen der Eltern wohl nie ersetzen. Deshalb sollen sie es ergänzen und unterstützen.
Nach einer ersten Glaubens- und Gewissensbildung wird die Tragfähigkeit des Glaubens von den Heranwachsenden oft in der Pubertät „auf die Probe gestellt". Der Jugendliche sucht nach einem Zusammenhang des Glaubens mit seinem Leben. Dabei fordert er oft den Glauben seiner Eltern heraus, der sich dann auf eine neue, bis dahin unbekannte, vielleicht sogar schmerzhafte Art bewähren muss. „Der Dienst der Eltern als Verkünder und Katecheten muss das Leben der Kinder auch in den Jahren der Pubertät und der Jugend begleiten, wenn diese den christliche Glauben, den sie in den ersten Jahres ihres Lebens empfangen haben, oft kritisieren oder sogar zurückweisen. Wie sich in der Kirche das Werk der Verkündigung nie getrennt vom Leiden des Apostels vollzieht, so müssen die Eltern mit Mut und Gelassenheit des Herzens den Schwierigkeiten begegnen, auf die ihr Verkündigungsdienst manchmal bei den eigenen Kindern stößt."
Immer eröffnen die Eltern vor allem durch ihr Beispiel den Weg zu einer eigenen, persönlichen religiösen Praxis, die sich mit der gesamten Kirche verbunden weiß. Die in der Familie gelebte „Hauskirche" führt die Kinder auf natürliche Weise in die große Gemeinschaft der Gläubigen.
In: Walter Krieger, Spiritualität der Persönlichkeit, Würzburg (Echter) 1992, 62 f.