Eine neue Chance für die Pastoral
Erwachsene fragen nach der Taufe
Am Anfang steht die Überraschung: Ein Erwachsener will – in Österreich – die Taufe. Wahrscheinlich trifft er auf beeindruckte, wohlwollende, aber irgendwie ratlose Ansprechpartner in einer Pfarre. Sehr schnell neigt man in einer solchen Situation dazu, den Zeitpunkt der Taufe zu planen, die Termine für einige vorbereitende Treffen zu vereinbaren – und die Sache nimmt mehr oder weniger gut ihren Lauf inmitten vieler anderer pastoraler Aufgaben.
Die Wiederentdeckung des Katechumenats für Erwachsene hat einen anderen Ausgangspunkt: Dieser Mensch hat eine Geschichte, einen Weg mit Gott. Vielleicht sind seine Motive nicht so religiös wie man vermuten würde, aber auch in dieser konkreten Situation will Gott etwas sagen – zu diesem Menschen und zu denen, auf die er trifft.
Die erste Aufgabe des Katechumenats ist es, dieses Wort Gottes an ihn deutlicher wahrnehmen und die Antwort schrittweise wachsen zu lassen. Das bedeutet: Im Mittelpunkt des Katechumenats steht der Taufbewerber/die Taufbewerberin und seine /ihre Beziehung zu Gott. An sie/ihn werden das Tempo, der Zeitplan, die Inhalte und die Gestaltung des Katechumenatsweges angepasst, der dafür einen Rahmen gibt.
Ohne Gemeinschaft geht es nicht
Der Katechumenat ist kein „Einzelunternehmen“. So wertvoll die Begegnung mit einer oder mehreren Personen im Rahmen einer Sakramentenvorbereitung ist, muss man auch die Zukunft „danach“ im Blick haben. Was im Katechumenat wächst, wird nur Bestand haben, wenn es nach der Taufe in einer christlichen Gemeinschaft gepflegt werden kann. Es geht darum, Kontakte und Beziehungen zu anderen Christen in einer Gemeinde, einer pfarrlichen Runde, einer Gruppe aufbauen zu helfen. Das beginnt mit der Begleitung des Katechumenen durch andere Christen, wenn möglich in einer Gruppe.
Jetzt wird mancher mit einem Blick auf den üblicherweise vollen pfarrlichen Terminkalender erschrecken: „Noch eine Runde? Aber alle pfarrlichen Mitarbeiter/innen haben schon so viel zu tun!“
Rückfrage: Was sind die Prioritäten unserer Gemeinden? Wo sollen Menschen „Christ-Werden“ lernen können, wenn nicht in einer Gemeinde? Wäre die Herausforderung durch einen Katechumenat nicht eine wunderbare Unterbrechung in der pastoralen Geschäftigkeit, weil es die Gemeinde an einen Teil ihrer Identität erinnert, der vielleicht vergessen oder allzu selbstverständlich wurde? Pfarren, Gemeinden hätten dabei die Chance, als „begleitende Gemeinden“ eine für viele neue Dimension des Glaubens zu entdecken und auf neue Art die eigene Identität zu erfahren.
Der schrittweise Prozess des Christwerdens im Katechumenat hat Ausstrahlung, wenn er sorgsam gestaltet wird. Die liturgischen Feiern einzelner „Stufen“ sind Angelpunkte für die Entwicklung dieses Weges. Sie weisen darauf hin, dass der Glaube „wächst“. Sie lassen aber auch die mitfeiernde Gemeinschaft plötzlich neu verstehen, welches Leben diese Liturgie weckt. Wer einmal Katechumenen ganz nahe während einer solchen Liturgie gesehen hat, dem bleibt diese feierliche Gelöstheit, diese Freude über die Berufung zum Christ-Werden noch lange im Gedächtnis und macht dankbar für die eigene Geschichte auf dem Weg des Glaubens. Nicht zuletzt hier wird deutlich: Jede Mühe mit dem Katechumenat lohnt sich. Die begleitenden Personen und die ganze Gemeinde profitieren davon.
Es geht nicht nur um die Taufe
In einer ähnlichen Situation wie erwachsene Taufbewerber befinden sich erwachsene Firmkandidaten, Revertiten, Konvertiten, Getaufte, die plötzlich – erstmals – an einem lebendigen Kontakt mit dem Glauben interessiert sind. Wenn der Glaube ein Weg ist, dann sollten auch hier Schritte möglich sein, die einen Prozess, ein Wachstum fördern. Der Katechumenat bietet dafür viele Anregungen, die für verschiedene Personengruppen der jeweiligen Situation entsprechend gut adaptiert werden können. Denn der Bedarf an pastoralen Hilfen und Modellen wächst in diesem Bereich. Vor allem wenn ein am Katechumenat orientierter Weg zum Christwerden bzw. eine „Einführung in den Glauben“ gezielt angeboten wird, könnte dies so mancher als persönliche Einladung zum Glauben entdecken. Der im Österreichischen Pastoralinstitut herausgegebene „Leitfaden Erwachsenenkatechumenat“ (Wien 2000) kann dabei behilflich sein.
Walter Krieger
(in: Lebendige Seelsorge 4/5, November 2000)