Drei europäische Charakteristiken
1. Katechumenat und Evangelisation
Der Katechumenat entwickelt sich in Europa, weil es eine Suche nach dem Sinn des Lebens gibt, weil Menschen von heute vielerorts ein religiöses Interesse wiederentdecken. Aber um den Menschen zu erreichen, der nach Spiritualität und Glauben sucht, muss jemand mit Leidenschaft und Sehnsucht erfüllt sein, das Evangelium zu verkünden.
Hier entdecken wir eine höchst zeitgemäße Dimension des Katechumenats. Es geht um eine individuelle und gemeinschaftliche Begleitung von Menschen, die Christen werden wollen. Erfahrene Begleitpersonen bekräftigen, dass der Katechumenat bereichernd und inspirierend ist, auch für den eigenen Glauben. Man gibt viel, aber man erhält auch viel.
Entgegen einer einseitigen Betonung der intellektuellen und wissensmäßigen Dimension des Glaubens geht es im Katechumenat um das Leben in seiner Ganzheitlichkeit. Dazu gehören das Gebet, das Feiern und die Bereitschaft, Zeugnis zu geben. Die Evangelisierung Europas braucht diese ganzheitliche Inspiration.
Damit steht der Katechumenat aber in engstem Zusammenhang mit der gesamten Pastoral und Katechese. Darauf weisen auch die jeweiligen Themen der europäischen Treffen hin, die immer über den Katechumenat im engeren Sinn hinaus für das ganze pastorale und katechetische Engagement der Kirche bedeutsam sind.
2. Bereicherung und Offenheit
Der Katechumenat in Europa ist mit seinen Treffen und Besprechungen sehr bereichernd. Im Katechumenat gibt es weder eine belastende Tradition noch einen langweiligen Alltag. Wir entdecken eine bewährte Einrichtung der alten Kirche wieder, die für unsere heutige Situation hochaktuell ist.
Dazu aber braucht es gegenseitige Unterstützung. Ich bin überzeugt, dass jedes der Treffen des „Bureaus" Ideen und Erfahrungen schenkt, die jeder adaptieren kann gemäß der Situation in der eigenen Kirche, im eigenen Land.
Man könnte sagen, dass alle Katechumenate in Europa viele Gemeinsamkeiten miteinander haben. Deshalb fühlt man sich manchmal wie eine große Familie, in der wir teilen, was wir erfahren und was wir sind. Das ist eine fundamentale Charakteristik des europäischen Katechumenats.
Ohne diese europäischen Treffen: Was würde mit dem Katechumenat in Österreich oder Spanien sein? Würde es diesen und die damit verbundene Entwicklung überhaupt geben? Würden nicht schon so manche Suchende in der Kirche „nichts gefunden" haben, die in der Zwischenzeit auf dem Weg eines Katechumenats Christus entdecken konnten?
3. Ökumenische Aspekte
Einer der interessantesten Punkte in der Geschichte des Katechumenats in Europa ist der ökumenische Aspekt. Das wird durch die Anwesenheit der anglikanischen oder der schwedisch-lutherischen Kirche bei den zweijährlichen Treffen eindrucksvoll bestätigt.
Ein anderer Aspekt ist die Art und Weise, wie z.B. das Treffen in London 1983 rezipiert wurde, das vom Erzbischof von Canterbury, Dr. Runcie, in Lambeth Palace organisiert wurde oder wie das vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf 1985 durch Pastor Max Thurian vorgestellte Lima-Papier aufgenommen wurde.
Der Katechumenat selbst hat etwas in Richtung Ökumene weiterentwickelt: das Bewusstsein der Taufe als gemeinsame, verbindende Grundlage aller Christen. Und das sollte uns nicht überraschen! Denn es gibt nur eine Taufe und deshalb ist die Taufe die fundamentale Quelle der Gemeinschaft und Beziehung zwischen den christlichen Kirchen. Der Katechumenat in Europa bestärkt damit den ökumenischen Prozess.
In diesen europäischen Treffen haben wir gemeinsam gebetet und Erfahrungen ausgetauscht. Wir haben einander zugehört. Und all das hat uns erlaubt zu sehen, dass es viele gemeinsame Aspekte und Dimensionen gibt, die uns verbinden, wenngleich wir uns der Unterschiede zwischen unseren Kirchen bewusst bleiben.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung und Ergänzung des Beitrags von Philippe Gueneley, Die europäischen Katechumenatstreffen, in: Matthias Ball / Ernst Werner (Hg.), Wege zum Christwerden. Der Erwachsenenkatechumenat in Europa, Ostfildern 1994;
vgl. auch: Jordi d'Arquer i Terrasa, The history of the catechumenate in Europe: ecumenical solutions and contributions to the evangelisation of Europe (Manuskript) 2006
Walter Krieger / 12. Juni 2007, ergänzt im Mai 2014